Über Fritz Benscher, geb. 1904, Sohn einer Hamburger Kaufmannsfamilie, Auschwitz-Überlebender und bekannter Moderator, Quizmaster und Kabarettist beim Bayerischen Rundfunk sowie Fernsehschauspieler lag bislang keine Biografie vor. Interessierte konnten lediglich einschlägigen Filmlexika sein künstlerisches Schaffen entnehmen, das nach dem Krieg meist fernab von Hamburg stattfand.
In dem Projekt wurde Benschers Lebensgeschichte als jüngster Sohn des Hamburger Lederfabrikanten Gotthard Benscher aufgearbeitet, der mit seiner fünfköpfigen Familie bis in die 1930er-Jahre hinein wohl situiert in der Hansestadt lebte. Bereits 1933 flüchteten die Eltern nach Palästina; Sohn Hugo verließ Hamburg während der Pogromnacht 1938 als blinder Passagier, über Oslo gelangte er später nach Schanghai; Sohn Siegfried folgte den Eltern mit einem illegalen Transport nach Palästina. Fritz Benscher blieb als einziges Familienmitglied in der Hansestadt und musste die elterliche Firma liquidieren. Er hatte zuvor als Schauspieler in Hamburg und Berlin sowie bei der NORA, der Nordischen Rundfunk AG, gearbeitet. Nun beschränkte er sich notgedrungen auf Engagements beim Jüdischen Kulturbund. Nach dem Novemberpogrom ließ er sich zusammen mit den letzten jüdischen Jugendlichen in einer Lehrwerkstatt der jüdischen Gemeinde zum Tischler ausbilden und arbeitete anschließend für die Gemeinde. Anfang der 1940er-Jahre wohnte und arbeitete er als Sargtischler auf dem jüdischen Friedhof. Fritz Benscher überlebte die Deportation nach Theresienstadt, Auschwitz und die Zeit im KZ Dachau-Kaufering. Er nahm in München eine Stelle als Oberspielleiter beim Bayerischen Rundfunk an. Seine Sendungen standen im Zeichen der Reeducation. Anders als andere verbarg Benscher seine Herkunft und Geschichte nicht: Als Jude, Linker, KZ-Überlebender und Hamburger in Bayern nahm er immer wieder unbequem Stellung, wurde mit Redeverboten belegt, eroberte aber eine treue und zahlreiche Hörerschaft, später auch Fernsehzuschauer.
Wie ging der bekannte Künstler nach dem Krieg mit seiner Leidenszeit um? Wieweit wusste sein Publikum von dieser und wie reagierte es, wenn Benscher die übliche Komikerrolle verließ und als Überlebender sprach? Engagierte er sich in der/ für die jüdische Gemeinschaft wie Hans Rosenthal? Wie wurden die unterschiedlichen Lebens- und Leidenswege der drei Brüder in der Familie kommuniziert? Diese und weitere Fragen beantwortet das Projekt, denn Fritz Benscher – und das schätzte sein Publikum – liebte Geschichten. In solche flüchtete er sich auch, wenn es um seine eigene Biografie ging.
Das Forschungsprojekt wurde 2017 mit der Publikation des Buches „Fritz Benscher. Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk und Fernsehstar in der Bundesrepublik“ beim Wallstein Verlag abgeschlossen (siehe https://www.wallstein-verlag.de/9783835330016-fritz-benscher.html).
Dr. Beate Meyer
beate_meyer[at]yahoo.de