Dr. Gabriele Meyer-Fellowship

Die Vielfältigkeit jüdischer Lebenswelten im Zeitraum zwischen der Frühen Neuzeit und der Gegenwart zu erforschen, ist die Aufgabe des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Seit der Gründung der Forschungseinrichtung im Jahr 1966 hat sich nicht nur das Feld der Jüdischen Studien entwickelt und methodisch wie disziplinär ausdifferenziert, sondern auch das Profil des IGdJ erweitert. Während der historische Fokus auf der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums weiterhin besteht, rücken jüdisches Leben in der Gegenwart, aktuelle Fragen des Erinnerns und Gedenkens sowie die Arbeit mit neuen Medien und digitalen Techniken stärker in den Blick.

Mit dem Sommersemester 2023 startet das IGdJ das Gabriele-Meyer-Fellowship-Programm, um innovative wissenschaftliche Projekte im Feld der Jüdischen Studien zu fördern und im internationalen Austausch die bestehenden Forschungsschwerpunkte des IGdJ zu vertiefen. Die Ärztin und Psychoanalytikerin Dr. Gabriele Meyer (29. Juni 1938–30. März 2018), geboren und aufgewachsen in Tel Aviv, mit anschließenden Stationen in Malmö und München, lebte und arbeitete in Hamburg. Benannt nach ihr als Stifterin wird in der Zeit zwischen April und Juli 2023 ein Fellowship von bis zu vier Monaten vergeben. Es richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu den Arbeitsbereichen des IGdJ forschen und die reichhaltige Fachbibliothek oder die Bestände in den verschiedenen Archiven der Region für ihre Studien nutzen können. Die Teilnahme an den Veranstaltungen des IGdJ wird vorausgesetzt sowie zudem eine Präsentation des geförderten Projekts im Forschungskolloquium und ein öffentlicher Vortrag am IGdJ. Darüber hinaus wird die Organisation eines Tagesworkshops in Hamburg angestrebt, um das Projektthema in einem größeren Rahmen zu diskutieren und Möglichkeiten zu schaffen, sich in der weiteren (nord-)deutschen Forschungslandschaft zu vernetzen.

 

Derzeit läuft keine Ausschreibung. Informationen zur Bewerbung auf die Dr. Gabriele Meyer-Fellowships veröffentlichen wir zu einem späteren Zeitpunkt. 

Miriam Gillis-Carlebach-Fellowship

In Kooperation mit dem Carlebach-Arbeitskreis der UHH

Neben der Förderung von Forschung und Lehre zur jüdischen Geschichte, Kultur und Religion in der Hansestadt Hamburg ist der wissenschaftliche Austausch zwischen Deutschland und Israel ein zentrales Anliegen des Carlebach-Arbeitskreises. Durch die Einrichtung eines Fellowships, das Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler einen Forschungsaufenthalt in Hamburg ermöglicht, soll der wissenschaftliche Austausch durch ein weiteres Förderformat gestärkt werden.

In Erinnerung an Miriam Gillis-Carlebach (1922–2020) schreibt der Carlebach-Arbeitskreis, ein Zusammenschluss von Forscherinnen und Forschern der Universität Hamburg und des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden, seit 2023 das Miriam Gillis-Carlebach Fellowship aus, um innovative wissenschaftliche Projekte im Feld der Jüdischen Studien zu fördern und den wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Israel weiter zu vertiefen. Das Fellowship richtet sich an den wissenschaftlichen Nachwuchs (Promovierende und PostDocs bis 7 Jahre nach der Dissertation), die zu den Arbeitsbereichen des CAK forschen und die reichhaltige Fachbibliothek oder die Bestände in den verschiedenen Archiven der Stadt und Region für ihre Studien nutzen wollen. Es ermöglicht einen bis zu dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Hamburg.

 

Derzeit läuft keine Ausschreibung. Informationen zur Bewerbung auf ein Miriam Gillis-Carlebach-Fellowship veröffentlichen wir zu einem späteren Zeitpunkt.

Fellows 2024

Anna Holian ist außerordentliche Professorin für moderne europäische Geschichte an der Arizona State University. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Migration und Vertreibung, Architektur, Stadtplanung und Stadtleben sowie Filmstudien. Sie ist die Autorin von Between National Socialism and Soviet Communism: Displaced Persons in Postwar Germany (University of Michigan Press, 2011). Ihre Forschung wurde vom National Endowment for the Humanities, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), dem Deutschen Historischen Institut Washington D.C., dem Institut für Zeitgeschichte München und dem United States Holocaust Memorial Museum unterstützt. Sie war außerdem viele Jahre lang Mitglied der Holocaust Geographies Collaborative.

Projekt:

Setting Up Shop in the House of the Hangman: Jewish Economic Life in Postwar Germany. 

Während meiner Zeit am IGdJ werde ich mein Buch über das jüdische Wirtschaftsleben im Westdeutschland der Nachkriegszeit fertigstellen. Das Buch stellt Kleinunternehmen in den Mittelpunkt der deutsch-jüdischen Geschichte der Nachkriegszeit und untersucht, wie "einheimische" deutsche und "neu zugezogene" osteuropäische Juden Unternehmen (wieder)gründeten und wie sich diese Unternehmen in den ersten drei Nachkriegsjahrzehnten entwickelten. Die Beziehung zwischen den jüdischen Überlebenden und der deutschen Gesellschaft steht ebenfalls im Mittelpunkt des Projekts. Ich untersuche, wie sowohl Juden als auch Deutsche über die jüdische Beteiligung an der deutschen Wirtschaft dachten und wie jüdische Geschäftsinhaber zu ihren deutschen Mitarbeitern und Kunden standen. Ich zeige, dass die meisten Neuankömmlinge und viele Einheimische zwar ursprünglich nicht vorhatten, in Deutschland zu bleiben, dass aber ihre Beteiligung an der Wirtschaft das zentrale Mittel war, mit dem sie (wieder) Wurzeln im Land schlugen. Damit stelle ich die vorherrschende Ansicht in Frage, dass Juden im Nachkriegsdeutschland am besten als "Gastarbeiter" zu verstehen sind, als vorübergehende Bewohner, die bereit sind, das Land bei nächster Gelegenheit zu verlassen.

Fellows 2023

Amos Goldberg ist Dr. Gabriele Meyer-Fellow am Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Er ist Inhaber des Jonah M. Machover Chair in Holocaust Studies am Department of Jewish History and Contemporary Jewry und Direktor des Avraham Harman Research Institute of Contemporary Jewry an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Goldbergs Arbeit ist interdisziplinär angelegt und kombiniert Geschichte, Kulturwissenschaften und Psychoanalyse. Ein Aspekt seiner Arbeit befasst sich mit der Kulturgeschichte der Juden und Jüdinnen im Holocaust, ein weiterer Aspekt mit der Erinnerung an den Holocaust und der Historiografie. Ein Großteil seiner Arbeit ist durch „Multidirektionalität“ gekennzeichnet.

Seine Veröffentlichungen erschienen in Hebräisch, Englisch, Arabisch, Französisch, Deutsch. Japanisch und Italienisch. Dazu zählen u.a.:

  • Herausgeber und Ko-Autor von drei der vier Bände der Reihe Years Wherein We Have Seen Evil: Selected Aspects in the History of Religious Jewry during the Holocaust (Yad Vashem 2003–2008)
  • Trauma in First Person: Diary Writing during the Holocaust (Hebräisch 2012; Englisch Indiana UP 2017). Die Publikation gewann den Eggit-Preis und gehörte zu den zehn herausragendsten Büchern in der Choice Kategorie “History Geography and Area Studies” 2018.
  • Er ist Herausgeber zahlreicher Bücher, darunter den gemeinsam mit Haim Hazan herausgegebenen Band Marking Evil: Holocaust Memory in the Global Age (Berghahn 2015) sowie den Band The Holocaust and the Nakba: A New Grammar of Trauma and History (Columbia University Press 2018; in japanischer Übersetzung 2023 sowie demnächst auf Italienisch), den Goldberg gemeinsam mit Bashir Bashir herausgab.
  • Sein demnächst erscheinendes Buch Five Critical Readings in Holocaust Memory soll noch in diesem Jahr auf Hebräisch erscheinen. Zurzeit schreibt er an einem Buch über die Kulturgeschichte der Juden und Jüdinnen in Warschau während des Holocaust.

Goldberg ist Fellow des Van Leer Instituts in Jerusalem und war der 2018/2019 J. B. and Maurice C. Shapiro Senior Scholar in Residence Fellow des Mandel Center am United States Holocaust Memorial Museum in Washington DC.

Er gehört zu den Initiatoren und Verfassern der Jerusalem Declaration on Antisemitism (JDA)

Projekt:

Aspekte der Kulturgeschichte der Warschauer Juden und Jüdinnen unter nationalsozialistischer Herrschaft

Während meiner Zeit am IGdJ plane ich, mein Buch über die Kulturgeschichte des Warschauer Ghettos fertig zu schreiben – ein Forschungsprojekt, an dem ich seit mehreren Jahren arbeite. Nach Moshe Rosman (der darüber im Kontext der jüdischen Geschichte nachgedacht hat) interessiert sich die Kulturgeschichte nicht für die Produkte der schöpferischen Kräfte innerhalb einer bestimmten Gruppe, sondern für die Bedeutungen, die diese Kräfte und Produkte vermitteln. Mit anderen Worten, die Kulturgeschichte befasst sich nicht mit der Beschreibung kultureller und religiöser Institutionen oder ihrer Produkte, sondern mit dem Mechanismus der Bedeutungsgebung innerhalb einer bestimmten Gesellschaft, oder mit dem, was Peter Burke als gemeinsame Grundlage aller Zweige der Kulturgeschichte betrachtet: ‚die sich mit dem Symbolischen und seiner Interpretation befassen.‘ In meiner Forschung wende ich diese Ansätze auf die Untersuchung der Warschauer Juden und Jüdinnen unter nationalsozialistischer Herrschaft an. Das Buch widmet jedem der folgenden Themen ein Kapitel: der Gerüchtekultur im Ghetto; dem Straßennarren des Warschauer Ghettos und seiner Gesellschaftskritik; den Kaffeehäusern im Ghetto; den Sprachkriegen und dem Wandel der Sprache; der Kleidung und der Mode.

Abby Anderton ist außerordentliche Professorin für Musik am Baruch College und dem Graduate Center der City University of New York. Ihre Arbeit befasst sich mit Performance und Holocaust-Zeugnissen, Komponistinnen und postkatastrophalem Musikschaffen. Andertons Veröffentlichungen sind in der German Studies Review, dem Journal of Musicological Research, Twentieth-Century Music und Music and Politics erschienen. Ihre Forschung wurde von der Fulbright-Kommission, der Holocaust Educational Foundation, der Humboldt-Stiftung, der Eugene Lang Foundation, der American Musicological Society und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) unterstützt.

Projekt:

Überlebende Musiker im Nachkriegsdeutschland

Während meines Aufenthaltes am IGdJ werde ich an meinem aktuellen Buchprojekt "Audible Testimonies: Holocaust Survival in Music and Media" arbeiten, das die frühen Nachkriegsklänge von überlebenden Musikern in Deutschland untersucht und zeigt, dass ihre Kompositionen, Aufnahmen und Aufführungen Formen des Holocaust-Zeugnisses sind. Viele der ersten Holocaust-Zeugnisse betrafen Musik. Doch auch Jahrzehnte nach der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Zeit bleibt ein Großteil dieser Musik unhörbar, fragmentarisch oder unveröffentlicht. Anhand der in deutschen und amerikanischen Archiven gesammelten Materialien zeigt dieses Projekt, wie diese Musiker ihre Gemeinschaften stärkten, lange bevor die Zeugenaussagen im Eichmann-Prozess 1961 die Welt zum Zuhören zwangen. Ob die Theresienstädter Erinnerungsstücke von Erich Adler, die Auftritte des Ex-Concentration Camp Orchestra mit Leonard Bernstein oder die Befreiungskonzerte der Cellistin Anita Lasker-Wallfisch in Bergen-Belsen - musikalische Zeugnisse gaben überlebenden Musikern im Nachkriegsdeutschland eine öffentliche Plattform. Ich freue mich besonders darauf, die Archiv- und Bibliotheksbestände des Instituts zu nutzen, um weitere Hamburger Musiker in meine Studie zu integrieren.

Dr. Naama Jager-Fluss ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Samuel Braun Chair for the History of the Jews in Germany an der Bar-Ilan Universität. Ihre Arbeit befasst sich mit dem Anfang des Liberalen Judentums in Deutschland im 19. Jahrhundert und der Entstehung jüdischer Strömungen in der Neuzeit. Erste Forschungsergebnisse sind in den Zeitschriften Tabur, Chidushim, und Reshit erschienen. 
So u.a. die Artikel:

  • "My wish is that women could also visit the synagogue: on the inclusion of women in worship at the Hamburger Temple (Hebrew),“ Reshit (2023), p. 139–165.
  • "Religious Enlightenment and Pietism within the Synagogue: Gotthold Salomon's Sermons in the Hamburg Temple (Hebrew),“ Chidushim 24 (2022), p. 9–47.
  • "And the People Has Been Divided into Two Groups: The Religious Reform at the Beginning of the 19th Century (Hebrew),“ Tabur 9 (2019), p. 33–57. 

Für ihre Forschung erhielt sie vom DAAD und dem Leo Baeck Institut eine Förderung.

Projekt:

From Haskalah to Religious Reform: Eduard Kley (1789–1867) as a Transitional Figure

Während meines Aufenthaltes am IGdJ werde ich an meinem aktuellen Projekt über die erste Generation religiöser Reformer und der Frage nach der Beziehung zwischen der Haskalah und den religiösen Reformen im deutschsprachigen Kontext zu Beginn des 19. Jahrhunderts arbeiten. Durch die Untersuchung der Schriften von 'Wandelnden Figuren' wie Gotthold Salomon, Eduard Kley, Isaak Noah Mannheimer, David Caro und Bernhard Beer trägt meine Forschung zu einem nuancierterem Verständnis der Geschichte der jüdischen Reformbewegung bei, insbesondere in ihren frühen Pionierphasen. Während meiner Zeit am IGdJ plane ich sowohl an meinem Buch über den Hamburger Prediger Gotthold Salomon zu arbeiten. Es gibt keinen passenderen Ort als Hamburg, um sich intensiv mit der Forschung über Salomon und den Anfängen der Reformbewegung im Judentum zu beschäftigen, denn Hamburg war der erste und bedeutendste Schwerpunkt des reformierten Judentums in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert.